Gegner protestieren: Augsburger Unimedizin startet mit Tierversuchen

Bislang gab es in der Forschung der Universität in Augsburg keine Tierversuche. Jetzt geht die neue Versuchstierhaltung in Betrieb. Gegner antworten mit Protesten.

 

VON EVA MARIA KNAB

An den Augsburger Hochschulen wird seit Jahrzehnten geforscht und entwickelt. Bislang gab es jedoch keine Tierversuche in der Stadt. Das ändert sich mit dem Ausbau der Medizinforschung. Die vorläufige Tierversuchseinrichtung der Universität im Sigma-Park nimmt jetzt ihren Betrieb auf. Am Dienstag will die Uni einen ersten Einblick in die neuen Labore geben. Parallel protestieren Tierversuchsgegner mit verschiedenen Aktionen gegen die Einrichtung, die in den kommenden Jahren noch weiter ausgebaut werden soll.

Tierversuche sind umstritten, aber an vielen deutschen Forschungseinrichtungen gängige Praxis. Nach den neuesten Zahlen des Bundesinstituts für Risikobewertung kamen 2021 knapp 1,9 Millionen Tiere in Versuchen zum Einsatz, über 640.000 wurden zu wissenschaftlichen Zwecken getötet. Die weitaus meisten Versuchstiere waren Mäuse, gefolgt von Ratten und Fischen. Auch Kaninchen, Hunde, Primaten und Katzen wurden verwendet. Das Institut kommt weiter zu dem Ergebnis, dass fast zwei Drittel der Versuche „gering belastend“ für die betroffenen Tiere war, rund ein Viertel brachte mittlere und gut vier Prozent schwere Belastungen mit sich.

Tierversuche in Augsburg: Universität will transparent informieren

Allein in Bayern wurden in den vergangenen Jahren in 33 Einrichtungen Tierversuche durchgeführt, das geht aus einer Mitteilung des Wissenschaftsministeriums hervor. Nun werden erstmals auch eine Reihe von Medizinwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern an der Universität Augsburg mit Tierversuchen arbeiten. Im ersten Schritt sind jetzt die angemieteten Flächen im Sigma-Park an der Haunstetter Straße für eine Versuchstierhaltung mit 1000 Käfigen fertig. Darin können bis zu rund 2500 Mäuse und 400 Ratten gehalten werden. Am Dienstag wird die Uni einige geplante Projekte öffentlich vorstellen. „Wir wollen transparent informieren“, teilt Corina Härning von der Pressestelle mit.

 

Tierversuchsgegner protestieren gegen Forschung an der Uniklinik

Tierversuchsgegner sehen die Sache anders. Die Eröffnung des Interimslabors in Augsburg sei eine „bittere Stunde“, sagt Medizinerin Rosmarie Lautenbacher. „Damit werden Tierversuche erstmalig in Augsburg etabliert.“ Lautenbacher ist in der Stadt das bekannteste Gesicht des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche. Die Organisation will in diesen Wochen mit einer neuen Plakataktion an großen Straßen gegen die Planungen der Universität protestieren. Der Blick richtet sich nicht nur auf das neue Interim, sondern auch auf die kommende größere Lösung. Auf dem neuen Medizincampus neben der Uniklinik soll eine Versuchseinrichtung mit rund 8000 Käfigen für Mäuse entstehen, die rund 35 Millionen Euro kosten soll. Ein Teil dieser Flächen kann auch für die Haltung von anderen Spezies wie Ratten, Kaninchen, Schweine, Schafe, Ziegen oder Fische genutzt werden. Die Haltung von Primaten wurde ausgeschlossen. Bislang war ein Bau bis 2030 angepeilt.

Lautenbacher sagt, „in sieben Jahren wird die Forschungslandschaft ganz anders aussehen“. Augsburg dürfe nicht auf „antiquierte Methoden“ setzen. Man sei dabei, eine Chance zu verpassen. Denn weltweit boome die tierversuchsfreie Forschung, viele Hightech-Methoden hätten ihre Überlegenheit gegenüber Tierversuchsergebnissen bewiesen. Die Kritiker verweisen darauf, dass im Mittel mehr als 90 Prozent der Medikamentenkandidaten, die alle Tierversuche erfolgreich durchliefen, später während der klinischen Studien an Menschen aussortiert würden. Grund seien oft eine mangelnde Wirkung oder erhebliche Nebenwirkungen.

 

Initiative in Augsburg startet Online-Petition zu Forschung ohne Tierversuche

Die Tierversuchsgegner fordern, Steuergelder besser in zukunftsrelevante Forschung ohne Tierversuche in Augsburg zu investieren. Die Initiative hat dazu eine Online-Petition laufen. Dort kamen bislang fast 37.000 Unterschriften zusammen. Lautenbacher geht davon aus, dass auch mit den zusätzlichen Papierlisten inzwischen das Ziel von 50.000 Unterzeichnern erreicht ist. Die Unterschriften wolle der Verein in den kommenden Monaten im Bayerischen Landtag während einer Plenarsitzung übergeben, sagt Lautenbacher. Einen konkreten Termin für die Übergabe habe man noch nicht bekommen. Ob der zugehörige Neubau auf dem Medizincampus tatsächlich bis 2030 kommt, ist inzwischen unwahrscheinlich. Wie das Staatliche Bauamt auf Anfrage bestätigt, gibt es für dieses Projekt noch nicht mal eine Ausführungsplanung und auch noch keine haushaltsrechtliche Genehmigung.

(Augsburger Allgemeine 28.02.2023)